under the film

CONVOY (US, 1978 | Regie: Sam Peckinpah)

Trucker Martin Penwald (Kris Kristofferson), der auch "Rubber Duck" genannt wird, ist eng mit seinen Trucker-Kollegen befreundet, die – zunächst von einem korrupten Polizisten (Ernest Borgnine) zur Geschwindigkeitsüberschreitung verleitet und dann mit anschließender Geldstrafe belegt – nur noch mittels einer Massenschlägerer in einer Kneipe verhindern können, dass der befreundete schwarze Trucker "Spider Mike" (Franklin Ajaye) von ebenjenem Polizisten aus Willkür verhaftet wird. Empört von dem Machtmissbrauch der Polizei und auf der Flucht vor dem Gesetz bilden die Trucker einen Konvoi, der sie von Arizona bis nach Texas führt und dem sich bald öffentlichkeitswirk- und unaufhaltsam dutzende weitere Trucker anschließen.

Es sind ganz unterschiedliche Gründe, die Sam Peckinpah den Fahrern für ihren Protest in den Mund legt, als sie während der Fahrt von einem sensationslüsternen Reporter befragt werden, was sie denn antreibe: es geht gegen Watergate, gegen Vietnam, gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt und auch einfach nur mal darum, ordentlich Ärsche zu treten. Sam Peckinpah findet spektakuläre Actionbilder für seine teils nicht enden wollenden Truck-Montagen, die sich durch Staub, die Nachmittagshitze und aufgestellte Barrikaden schlagen – mal mit Country-Musik, mal mit einem Walzer unterlegt, aber immer stimmig. Der titelgebende Konvoi ist dabei nie nur für eine lange, ausgedehnte Verfolgungsjagd gut, die politisch zu lesen ist, sondern ist explizit ausformuliert eine Demonstration, die auch ein Gouverneur für seinen Wahlkampf zu instrumentalisieren im Sinn hat. Gerade die Thematik des strukturellen Rassismus in der Polizei, in einer Sequenz sogar deren Militarisierung und damit insgesamt die des Machtmissbrauchs, findet in dem Actionfilm eine überraschend klare Ansprache, die sich im Schlussdialog zwischen Penwald und dem Polizisten, der sich selbst als nichts geringeres als das Gesetz in Person sieht, entlädt ("You oughta be shot right where you're standing! So help me if I had a gun, I'd do it myself!" "That badge would make it alright, wouldn't it?"). Überflüssig zu betonen, welche Aktualität dieser Film gerade im Amerika der Gegenwart besitzt. Allein der etwas zu gefällige Humor durchbricht gelegentlich das Gesamtbild. Politisch zu sein heißt in diesem Film ohne Rücksicht auf Verluste immer geradeaus bei Maximalgeschwindigkeit zu fahren, Peckinpah nimmt "Politische Bewegung" hier ganz wörtlich – wer den Konvoi versucht aufzuhalten, führt meist mehr im Schilde, als nur auf Tempolimits hinzuweisen. "The purpose of the convoy is to keep moving."

GODZILLA (JP/US, 2014)

Dies ist eine Zweitverwertung meiner Moviepilot-Kurzkritik vom 01.03.2016

Gareth Edwards' GODZILLA ist leider nur ein lust- und wuchtloser Kataströphchenfilm, der ideenlos die üblichen Blockbuster-Schablonen der letzten Jahre recycelt und dabei keinen eigenen Stil findet. Höhepunktarm und quasi ohne Figuren langweilt sich der Film vor sich selbst und warnt den Zuschauer schon Minuten vor dem nächsten Inszenierungs-Klischee. Wie alle Reboots großer Franchises der letzten Jahre "verbeugt" er sich vorm Original (und dessen Produktionsland) und lässt daher hie und da japanische Lampions exotisch ins Bild wackeln, die in rot und vor dem grauen Color-Grading-Hintergrund auch für einen "Aha, Cinematography!"-Effekt sorgen sollen. Peinlich wird GODZILLA aber dann, als er wohl passend gedacht im Moment behaupteter atmosphärischer Dichte das eindeutig für 2001: A SPACE ODYSSEY reservierte "Requiem for Soprano" anspielt und damit sicherheitshalber inhaltliche Tiefe vorgaukelt. Vermutlich meint der Film auch deshalb auf Fukushima anspielen zu müssen, ohne mit diesem Hintergrund irgendetwas anzustellen. Irgendwann sagt auch mal jemand "Hiroshima!", aber natürlich sieht wieder einmal alles aus wie am 11. September.

FINDERS KEEPERS (US, 2015)

Dies ist eine Zweitverwertung meiner Moviepilot-Kurzkritik vom 26.12.2015

Leicht wäre es gewesen, dem skurrilen Rechtsstreit um ein amputiertes Bein ein ebenso lediglich skurriles dokumentarisches Denkmal zu setzen. Stattdessen fokussiert sich FINDERS KEEPERS auf die Geschichte hinter der Geschichte. Der ursprüngliche Besitzer des Beins und von seiner Drogensucht geplagte John Wood verlor dies bei demselben Unfall, bei dem auch sein Vater ums Leben kam und für den er zeitlebens immer eine Enttäuschung blieb. In Gedenken an seinen Vater beschließt er, das Bein zu konservieren und (logisch) in einem Grill aufzubewahren, bis es durch eine Zwangsversteigerung des Grills in die Hände von Shannon Whisnant gelangt. Als Shannon das unwissentlich erstandene Körperteil entdeckt, wittert er die Chance, doch noch in seinem Leben wenigstens lokale Prominenz zu erlangen und macht medienwirksam aus dem Bein eine kleine Touristenattraktion mit T-Shirt-Verkauf. Auch Shannon, der sich als zumindest potenziell hervorragenden Geschäftsmann und Entertainer sieht, erfuhr nicht die Beachtung seines Vaters, die er sich gewünscht hatte und versucht dies nun als "Foot Man" mit dem durch verschiedene Fernsehauftritte und schließlich auch als Teilnehmer einer Reality Show generierten zweifelhaften Ruhm zu kompensieren. Der Streit um das Bein führt sie in zahlreiche Radiosendungen und Talkshows, schließlich landen die beiden sogar bei Johannes B. Kerner.

FINDERS KEEPERS konzentriert sich zumeist auf die von enttäuschten Erwartungen geprägten Schicksale zweier Männer, dem nie erlangten Rampenlicht auf der einen und der durch Drogenmissbrauch beinahe zerstörten Bindung zur eigenen Familie auf der anderen Seite. Das alles erzählt die Dokumentation auf eine sehr respektvolle Art und Weise ohne die Protagonisten als Freaks vorzuführen und schafft es so tatsächlich mehr zu sein, als einfach nur ein weiteres Wiederkäuen einer abgedrehten Internet-Story.

HUSH (US, 2016)

Der bereits fünfte Beitrag zur lukrativen Filmografie der Blumhouse Productions in diesem Jahr (weitere werden sicher folgen) schraubt seine sowieso gewohnt günstigen Produktionskosten offenbar noch weiter nach unten und präsentiert einmal mehr als einzigen Handlungsort ein abgelegenes Haus im Wald, das Regisseur Mike Flanagan (OCULUS, ebenfalls Blumhouse Productions) für wohligen Grusel zu verwenden versucht.

Die Handlung erzählt von der jungen Maddie (Kate Siegel, auch Co-Autorin), die in ebenjenem Haus lebt und gerade an ihrem zweiten Roman – typisch drehbuchkonventionell – hauptsächlich erfolglos und schreibblockiert arbeitet. Zu den neuen Einfällen in Flanagans Film zählt dabei die Gehörlosigkeit der Hauptfigur, die größtenteils durch Social Media Kontakt zu ihrer Außenwelt pflegt und abgesehen von gelegentlichen Besuchen von ihrer Freundin (die auch erstes Opfer werden darf) relativ isoliert lebt. Schnell baut sie aber eher unliebsamen Kontakt zu einem Mann mit Maske auf, der sie fortan mit Blicken durch, Schlägen an und allerlei Schauder vor den Fenstern des Hauses durch die Laufzeit von HUSH hindurch gruselt.

Tatsächlich gelingt es HUSH ab und an, sein in Blumhouse-Fankreisen sicherlich beliebtes Home-Invasion-Szenario durch das Element der Gehörlosigkeit der Hauptfigur etwas aufzufrischen. Schon zu Beginn, wenn noch alles in Ordnung ist, spielt der Film durchaus mit den Möglichkeiten, die sich daraus auf der auditiven Ebene ergeben. Die Vorstellung, einen (Horror-)Film zu sehen, dessen einzige Dialoge vor allem mittels Gebärdensprache vonstatten gehen, ist auch überaus reizvoll. Und auch ansonsten finden sich einige Spielereien auf der Tonspur: zum Beispiel das rituelle Füttern der eigenen Hauskatze, die mit Rascheln des gefüllten Fressnapfes angelockt wird. Oder der durch angebranntes Essen ausgelöste und erst unbemerkte Feuermelder.

Dennoch finden sich auch in HUSH wieder die gebetsmühlenartig aber unbedingt berechtigt kritisierten Audio-Jump-Scares, die mit lautem Geschrammel das erledigen sollen, was der Inszenierung in Horrorfilmen abhanden gekommen ist. Das ist vor allem bei diesem Film ärgerlich, wenn man über die ganzen Möglichkeiten nachdenkt, die sich bei einer gehörlosen Hauptfigur anbieten. Nur selten zeigt der Film auch seinen Horror, lässt ihn tatsächlich spürbar machen, anstatt ihn mit aufdringlichem Getöse wieder nur zu behaupten. Es gibt drei, vier Szenen, in denen tatsächlich einfach mal Ruhe ist und selbst dann hört man das Innere von Maddies Kopf, das als dumpfes und wenig originelles Unterwasser-Rauschen dargestellt wird. Beispielhaft für das eigene Verständnis von Angstmachen ist auch schon der Vorspann, der nach unbequem-irritierend tonlosen Studiologo-Einblendungen mit lautem Knall den Titel des Films verrät.

Interessant wird der Film dann in der zweiten Hälfte, wenn unterschiedliche Optionen der Flucht, des Verstecks oder der Konfrontation mit dem Killer (analog zur Entscheidung für eines von sieben möglichen Enden des Romans, die die Hauptfigur nicht treffen kann) in einem inneren Monolog abgewogen werden.

Ansonsten geht es leider ziemlich oft einfach nur aus dem Haus raus, ums Haus herum, wieder rein, dann mal aufs Dach. Keine Ecke des Hauses, die uns nicht gezeigt wird und dennoch bleibt es eine erstaunlich gesichtslose Location, eine charakterlose Kulisse, die man sofort wieder vergessen hat und keinerlei Bindung zu und räumliche Orientierung zwischen den Figuren bietet. Auch wenn der Film durchaus seine Spannungsmomente hat und diese mal mehr und mal weniger gelungen nutzt, entsteht leider der Eindruck, mal wieder nur einen altbackenen Hochglanz-Horror gesehen zu haben, als tatsächliche Innovation.

HUSH ist somit leider hauptsächlich aufwandsloser Effizienz-Horror, der nichts kostet und auch genauso günstig für VOD-Anbieter verscherbelt wird und sich auf dem Papier wieder mal besser liest, als er sich auf dem Bildschirm ansehen lässt.

Sie sind nicht angemeldet